Lernen durch Lehren (1)

Die Idee, Schüler sich gegenseitig den Stoff vermitteln zu lassen, besteht seitdem es Unterricht
gibt. Immer wieder wurde versucht, die Auseinandersetzung der Lerner mit dem Stoff durch die
Übertragung von Lehrfunktionen zu intensivieren 2. Erst seit zwanzig Jahren gibt es eine größere
Gruppe von Lehrern, die diese Methode systematisch in ihrem Unterricht anwendet, sie
theoretisch untermauert, über sie publiziert und versucht, sie zu verbreiten. Angesichts der
jüngsten bildungspolitischen Entwicklungen besteht die Chance, dass das Lernen durch Lehren
(LdL) als lernintensive Methode stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückt 3. Im
Folgenden wird aufgezeigt, wie durch LdL die in den jüngeren Lehrplänen festgehaltenen
Lernziele in besonderem Maße erreicht werden können.

1. Es scheint, dass an den Schulen nicht optimal gelernt wird
Durch die PISA-Studie wurde verdeutlicht, dass in den Schulen der Bundesrepublik nicht effektiv
genug gelernt wird. Es wird zu viel Stoff zu oberflächlich bearbeitet, dieser wird nicht genug
verinnerlicht, es fehlt an Überblick und an Vernetzung, ja selbst die Lernhaltung der Schüler muss
neu durchdacht werden. Die Ausdauer, der Teamgeist, die Bündelung der Energien auf ein Ziel
hin müssen gesteigert werden. Es zeigt sich, dass die fachliche und zeitliche Aufsplitterung der
Lernaktivitäten nachhaltige Lernprozesse verhindert. Angesichts dieser Situation bemühen sich
sowohl Lehrer als auch Verantwortliche im Schulsystem seit längerer Zeit, grundlegende
Veränderungen einzuleiten. Dies betrifft die Organisation der Schule, indem mehr Autonomie
gewährt wird und Schulleiter durch freiere Gestaltung der Stundenpläne Projektarbeit und
fächerübergreifende Aktivitäten ermöglichen. Dies betrifft aber auch den Unterricht selbst. Hier
werden die Lehrer ermutigt, neue Unterrichtsformen zu testen, Risiken einzugehen, methodische
Experimente durchzuführen, um ihren eigenen Stil zu finden. Die Initiativen aus den Ministerien werden unterschiedlich aufgenommen. Zum einen wird an vielen Schulen die Notwendigkeit
solcher Veränderungen gar nicht erkannt und die Anregung, beispielsweise pädagogische Tage
abzuhalten, als Zumutung empfunden. Zum anderen wird – wenn die Dringlichkeit von
Modernisierungsanstrengungen eingesehen wird – beklagt, dass man zwar gerne dem Aufruf der
Politik folgen würde, dass aber unter den gegebenen realen Strukturen (Schülerzahl, Stoffmenge,
Stundendeputat) die einzelne Schule und vor allem der einzelne Lehrer überfordert seien. Man
bräuchte mehr Unterstützung von Seiten der Ministerien.
In dem vorliegenden Aufsatz wird die Ansicht vertreten, dass auch unter den gegebenen
Bedingungen grundlegende Veränderungen am Lernort Schule eingeleitet werden können.
Allerdings verlangt dies eine gründliche Reflexion nicht nur über Unterrichtstechniken, wie dies
schon seit längerer Zeit der Fall ist, sondern über das Lernen im Unterricht überhaupt. Welche
Lernkonzeptionen herrschen gegenwärtig vor? Nach welchen expliziten oder impliziten
Vorstellungen vom Lernen wird im Unterricht gelehrt?

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Zuletzt aktualisiert: 27. Feb, 17:56

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