Lernen duch Lehren

Montag, 27. Februar 2006

Unterrichtstechniken oder Methode? (4)

Weder das Prinzip der Handlungsorientierung, noch das von Klippert angebotene Training präsentieren
sich als „Methode“. Grundsätzlich treffen didaktische Vorschläge, die den Anspruch
erheben, eine Methode zu sein, auf große Skepsis. In der pädagogisch-didaktischen Literatur wird
durchgängig die Meinung vertreten, man solle nicht einseitig verfahren und lieber unterschiedliche
methodische Zugänge je nach Situation einsetzen. Es gebe keine Methode, die allen Ansprüchen
gerecht werden könne. Wenn aber im Unterricht eklektisch vorgegangen wird, besteht die
Gefahr, dass permanent Widersprüche zwischen den unterschiedlichen Lernzielen, oder zwischen
den Lernzielen und den Lerntechniken auftreten. Ein effektiver, ökonomischer Unterricht verlangt
ein sehr kohärentes Ganze von Lerntheorie, Lernzielen und davon abgeleiteten methodischen
Maßnahmen. Die Qualität einer Methode misst sich danach, ob die angestrebten Lernziele die
größtmögliche Bandbreite der von der Gesellschaft gewünschten Bildungsziele erreicht und ob die
angewandten Techniken zwingend zu den von ihr angegebenen Lernzielen führen. Steht sie in
Konkurrenz zu anderen Methoden hat sie ferner den Nachweis zu erbringen, dass mit keiner
andere Methode die genannten Lernziele besser zu erreichen sind. Angesichts der Strenge dieser
Kriterien ist verständlich, dass es niemand wagt, ein solcher Anspruch zu erheben. Solange aber
kein kohärentes Unterrichtsmodell angeboten wird ist davon auszugehen, dass die Lehrer zwar
versuchen ihren Unterricht durch offene Techniken “aufzulockern”, sobald es aber Ernst wird zum
einzigen existierenden kohärenten Modell zurückkehren, nämlich zum Frontalunterricht. Damit
stehen sie aber im Widerspruch zu den jüngeren Lehrplänen.

Auszug aus PDF Warum LdL; von
Jean-Pol Martin: Lernen durch Lehren

Dienstag, 31. Januar 2006

Lernen durch Lehren (2)

2. Die aktuell vorherrschenden Lernkonzeptionen
2.1 Das instruktionistische Modell (der Frontalunterricht):
Wenn die Frage nach der Effektivität des Unterrichts aufgeworfen wird, scheint zunächst viel für
das instruktionistische Modell zu sprechen. So zeichnet sich guter Unterricht in erster Linie durch
Klarheit und Strukturiertheit des Lehrens, effiziente Nutzung der Unterrichtszeit mit deutlicher
Fokussierung der Lerninhalte und Aufgaben, zügiges aber nicht zu hohes Tempo sowie intensive
individuelle fachliche Unterstützung der Schülerinnen und Schüler aus. Eine gute
Unterrichtsqualität in diesem Sinne lässt sich mit einer Unterrichtsform realisieren, die als „direkte
Instruktion“ bzw. „direkte, lehrergesteuerte Unterweisung“ bezeichnet wird. Die Nachteile dieses
Modells liegen darin, dass es wenig Möglichkeiten eröffnet, die Instruktion wirklich an die
Aufnahmekapazität der Adressaten anzupassen. Selbst wenn der Lehrer sich sehr bemüht, das
richtige Tempo z u wählen, wird er immer nur eine Minderheit in der Klasse optimal bedienen
können. Nun ist bei dem instruktionistischen Modell, wo die rezeptive Stoffaufnahme im
Mittelpunkt steht, das Tempo der Informationsvermittlung für die Qualität der
Informationsverarbeitung von zentraler Bedeutung. Wenn man sich also allein auf den Bereich
konzentriert, bei dem das instruktionistische Modell als überlegen dargestellt wird, nämlich auf die
reine Stoffaufnahme, selbst hier sind erhebliche Zweifel angebracht. Wenn man ferner Lernen als
aktiver Prozess der Auseinandersetzung mit dem Stoff begreift, so induziert der Frontalunterricht
vor allem eine rezeptive, auf Aufnahme gerichtete Haltung.

Lernen durch Lehren (1)

Die Idee, Schüler sich gegenseitig den Stoff vermitteln zu lassen, besteht seitdem es Unterricht
gibt. Immer wieder wurde versucht, die Auseinandersetzung der Lerner mit dem Stoff durch die
Übertragung von Lehrfunktionen zu intensivieren 2. Erst seit zwanzig Jahren gibt es eine größere
Gruppe von Lehrern, die diese Methode systematisch in ihrem Unterricht anwendet, sie
theoretisch untermauert, über sie publiziert und versucht, sie zu verbreiten. Angesichts der
jüngsten bildungspolitischen Entwicklungen besteht die Chance, dass das Lernen durch Lehren
(LdL) als lernintensive Methode stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückt 3. Im
Folgenden wird aufgezeigt, wie durch LdL die in den jüngeren Lehrplänen festgehaltenen
Lernziele in besonderem Maße erreicht werden können.

1. Es scheint, dass an den Schulen nicht optimal gelernt wird
Durch die PISA-Studie wurde verdeutlicht, dass in den Schulen der Bundesrepublik nicht effektiv
genug gelernt wird. Es wird zu viel Stoff zu oberflächlich bearbeitet, dieser wird nicht genug
verinnerlicht, es fehlt an Überblick und an Vernetzung, ja selbst die Lernhaltung der Schüler muss
neu durchdacht werden. Die Ausdauer, der Teamgeist, die Bündelung der Energien auf ein Ziel
hin müssen gesteigert werden. Es zeigt sich, dass die fachliche und zeitliche Aufsplitterung der
Lernaktivitäten nachhaltige Lernprozesse verhindert. Angesichts dieser Situation bemühen sich
sowohl Lehrer als auch Verantwortliche im Schulsystem seit längerer Zeit, grundlegende
Veränderungen einzuleiten. Dies betrifft die Organisation der Schule, indem mehr Autonomie
gewährt wird und Schulleiter durch freiere Gestaltung der Stundenpläne Projektarbeit und
fächerübergreifende Aktivitäten ermöglichen. Dies betrifft aber auch den Unterricht selbst. Hier
werden die Lehrer ermutigt, neue Unterrichtsformen zu testen, Risiken einzugehen, methodische
Experimente durchzuführen, um ihren eigenen Stil zu finden. Die Initiativen aus den Ministerien werden unterschiedlich aufgenommen. Zum einen wird an vielen Schulen die Notwendigkeit
solcher Veränderungen gar nicht erkannt und die Anregung, beispielsweise pädagogische Tage
abzuhalten, als Zumutung empfunden. Zum anderen wird – wenn die Dringlichkeit von
Modernisierungsanstrengungen eingesehen wird – beklagt, dass man zwar gerne dem Aufruf der
Politik folgen würde, dass aber unter den gegebenen realen Strukturen (Schülerzahl, Stoffmenge,
Stundendeputat) die einzelne Schule und vor allem der einzelne Lehrer überfordert seien. Man
bräuchte mehr Unterstützung von Seiten der Ministerien.
In dem vorliegenden Aufsatz wird die Ansicht vertreten, dass auch unter den gegebenen
Bedingungen grundlegende Veränderungen am Lernort Schule eingeleitet werden können.
Allerdings verlangt dies eine gründliche Reflexion nicht nur über Unterrichtstechniken, wie dies
schon seit längerer Zeit der Fall ist, sondern über das Lernen im Unterricht überhaupt. Welche
Lernkonzeptionen herrschen gegenwärtig vor? Nach welchen expliziten oder impliziten
Vorstellungen vom Lernen wird im Unterricht gelehrt?

Mehr dazu nächstes mal.

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